Die Castelli-Sammlung im NÖ Landesarchiv
Das NÖ Landesarchiv konnte 2021 im Antiquariatshandel einen größeren Bestand an recht unterschiedlichen Unterlagen von und zu Ignaz Franz Castelli erwerben, die in der „Sammlung Ignaz Franz Castelli“ zusammengefasst wurden.
Ignaz Franz Castelli (1781–1862) war einer der populärsten, vielseitigsten und fruchtbarsten Autoren seiner Zeit, der u. a. rund 200 Theaterstücke, unzählige Gedichte (Begründer der Mundartdichtung, Gelegenheits- und Gebrauchslyrik), Theaterkritiken, Zeitungsbeiträge, Anekdotensammlungen, aber auch Gebrauchsschriften (Flugschriften) und ein „Wörterbuch der Mundart in Oesterreich unter Enns“ verfasste. Er war Redakteur und Zeitungsherausgeber, Begründer von Spaßgesellschaften (Ludlamshöhle), leidenschaftlicher Sammler (Theaterzettel, Dosen etc.) und nicht zuletzt der wohl bekannteste Mitbegründer des Wiener Tierschutzvereins (1846 gegründet als „Niederösterreichischer Verein gegen Misshandlung der Tiere in Wien“). In seinem Zivilberuf war Castelli seit 1802 bei den niederösterreichischen Landständen beschäftigt. Zunächst in der Buchhalterei angestellt, wurde er später auch zum Häuserrevidenten und schließlich zum Landschaftssekretär bestellt. In dieser Funktion verfasste er u. a. die offizielle Beschreibung der Erbhuldigung für Kaiser Ferdinand I. 1835. In Erinnerung geblieben ist auch seine Tätigkeit als Direktor der ständischen Bibliothek von 1833 bis 1837. Am 6. Februar 2022 jährte sich sein Todestag zum 160. Mal.
Die Sammlung Castelli findet sich in der Archivtektonik des NÖ Landesarchivs unter 05.05.01. Einige der bereits im Archiv vorhandenen Castelli-Dokumente wurden in diese Sammlung ein- und teils umgereiht (u. a. der erst kürzlich wieder aufgefundene Personalakt). Unter den neuerworbenen Objekten befinden sich neben Briefen, Manuskripten, Drucken, Artikeln etc. auch mehrere Fotografien von Ignaz Franz Castelli. Das hier präsentierte Foto dürfte bislang wenig bekannt sein. Es stammt von dem Münchner Fotografen Franz Hanfstaengl (1804–1877), der eine lithografische Anstalt mit Kunstdruckerei und ab 1852 ein fotografisches Atelier betrieb und als Erfinder der Negativretusche gilt. Als Porträtist berühmter Persönlichkeiten genoss er großes Ansehen. München war eines der wichtigsten Zentren für die Entwicklung und Verbreitung der Fotografie im 19. Jahrhundert. Castellis Aufenthalt in München muss etwa 1855 stattgefunden haben. Er berichtet in seinen Memoiren von Besuchen bei zahlreichen Künstlern, darunter wohl auch Franz Hanfstaengl, dessen Porträtfotografien er bewunderte: „Wenn man seine Photographien sieht, so kömmt man in Versuchung zu glauben, er könne dem Lichte gebieten, ihm eben solche Strahlen zu senden, wie er sie nöthig hat. Seine Porträte haben neben der frappantesten Aehnlichkeit auch den Vorzug, den Charakter des Originals wiederzugeben... Er war auch so gütig, mich zu photographieren und wer dieses Porträt besehen will, besuche mich, er wird die Wahrheit meiner Worte bestätigt finden“. (Aus: I. F. Castelli, Memoiren meines Lebens. Gefundenes und Empfundenes, Erlebtes und Erstrebtes [Wien 1861], 3. Bd., S. 182).
Es handelt sich bei dem Foto um einen sehr frühen Albuminabzug, ein Verfahren, das 1850 erfunden wurde. Das Negativ wurde mittels Sonnenlicht auf ein mit Hühnereiweiß (versetzt mit Kochsalzpartikeln) bestrichenes dünnes Papier kopiert, dessen Schicht durch Baden in Silbernitratlösung lichtempfindlich gemacht wurde.
Das schöne Foto befindet sich in einem sehr guten Zustand.
Die Jahresangabe auf der Rückseite ist sicher unzutreffend, weil zu spät.
Text: Waltraud Winkelbauer, Ilse Entlesberger
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